Schmerz als der beste Lehrmeister deines Lebens

Wir alle kennen Schmerz. Er ist am allerdeutlichsten, wenn es der Körper ist, der schmerzt.

 

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Aber was genau ist eigentlich Schmerz und wozu soll er gut sein?

Schmerz ist DIE Warnfunktion deines Körpers. Er hilft, den Körper vor Gefahren zu schützen, indem er blitzschnell weitergeleitet wird und innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde einen Reflex auslöst, damit du z.B. die Hand von der heißen Herdplatte nimmst oder nicht komplett in den Nagel trittst. Durch Schmerzen lernen wir, was uns nicht gut tut, um dann eben herauszufinden, was uns denn gut tut.

 

Schmerz als genialste Erfindung unseres Körpers

Daher ist Schmerz eine der genialsten Erfindungen deines Körpers. Er kann dich leiten und dir den Weg zeigen, wo es dir gut gehen wird. Ich feiere Schmerz wortwörtlich, da ich es liebe, meinen Körper zu spüren. Schmerz ist für mich nichts negatives, sondern eher eine ganz persönliche und intime Verbindung zu meinem Körper. Mein Körper spricht zu mir über den Schmerz und ich kann ihm zuhören und verstehen. Daraufhin weiß ich, was ich zu tun habe bzw. was ich ändern kann. Somit gelingt es mir, den Schmerz für mich als Werkzeug zu nutzen.

Und du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass ich, genauso wie du wahrscheinlich, schon jede Menge körperliche Schmerzen erlebt habe. Das fängt bei kleinen Unachtsamkeit an, wo man sich stößt und mit blauen Flecken davon kommt, über Muskelkater nach zuviel oder neu ausprobiertem Sport, bis hin zu Verletzungen.

Ich hatte bereits vier Knochenbrüche sowie fünf Operationen in meinem Leben. Ansonsten so Sachen wie Prellungen, Verstauchungen und Kapselrisse. Ich bin Extremsportler, Snowboarden ist meine Leidenschaft. Aber ich hab auch schon viele viele andere Sportarten und damit Schmerzerfahrungen in meinem Leben gemacht. Ich bin von Pferd gefallen, habe Bälle an den Kopf bekommen, bin aufs Gesicht gefallen, hatte Schürfwunden, habe mir Finger umgeknickt, hatte Zehen gebrochen, habe im Kampfsport Schläge abbekommen und und und. Ich könnte mit dieser Aufzählung ewig weiter machen. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Ich glaube jeder von uns kennt das und weiß instinktiv, dass diese Schmerzen uns helfen, damit die Verletzung nicht zu groß wird und anschießend gut wieder heilen kann.

 

Der Schmerz geht, das Einzige, was zurück bleibt, ist die Erfahrung in dir

Mal ehrlich, diese Liste hört sich doch erschreckend an, aber das absolut geniale und unglaubliche daran ist, dass man mir so gut wie nichts davon anmerkt. Es ist abgesehen von 3 OP Narben nichts zurückgeblieben, woran man mir diese ganzen Verletzungen ansehen könnte. So fantastisch ist unser Körper, dass er sich selbst heilen kann und so gut wie nie ein Schaden zurückbleibt.

Das einzige, was zurückbleibt, ist die Erfahrung in dir. Und das ist der absolute Hammer am Schmerz, er ist der beste Lehrmeister. Du veränderst automatisch dein Verhalten beim nächsten Versuch, wenn der erste Versuch fehlgeschlagen ist und wehgetan hat. So lernt jeder von uns laufen, denn was tun Kinder die gerade laufen lernen? Sie stehen auf und plumpsen hin, stehen auf und plumpsen hin. Und jedes Mal tut es sicherlich weh, auf den Boden zu fallen. Aber bei jedem neuen Versuch verändert das Kind sein Verhalten ein ganz klein wenig, bis es letztendlich oben bleibt. Und genau so lernen wir nie aus, unser ganzes Leben lang.

 

Wann haben wir verlernt Geduld zu haben?

Der ein oder andere wird jetzt vielleicht aufschreien und sagen, das stimmt doch gar nicht. Bei mir sind Einschränkungen zurückgeblieben oder ich spüre den Schmerz nach Jahren immer noch.

Ja auch davon kann ich als Physiotherapeutin Lieder singen. Die Menschen kommen zu mir, weil es nicht besser wird. Weil der Körper nicht mehr seine ursprüngliche Funktion zurückerlangt oder der Schmerz nicht verschwinden möchte. Oder beides.

Da kommt mir immer als allererster Gedanke: wann haben wir verlernt, Geduld mit uns und unserem Körper zu haben? Wann haben wir aufgehört, unserem Körper Zeit zur Heilung zu geben. Es muss bitte schön immer sofort wieder gerichtet werden. 4-6 Wochen keinen Sport machen zu können oder im Beruf außer Gefecht zu sein ist ja viel zu lang. Das muss schneller gehen!

Unser Körper lässt sich aber nicht hetzten. Wer mit aller Macht erzwingen will, möglichst schnell in den ursprünglichen Zustand zurückzukommen, also die Verletzung möglichst schnell zu kurieren, der wird bald feststellen, dass das nicht funktioniert. Unser Körper macht da nicht mit, denn er braucht nunmal die Zeit, die er braucht. Er braucht Zeit um Gewebe umzubauen, die verletzten Zellen abzubauen und neue, gesunde Zellen aufzubauen.

 

Dein Körper braucht ein Jahr, um sich zu erneuern

Man sagt, es dauert so ca. ein Jahr bis ein vollständiger Umbau deiner Zellen vollzogen ist. Und dabei ist es völlig egal, wie klein oder groß die Verletzung ist. Völlig wurst, ob du dir in den Finger geschnitten oder das Kreuzband gerissen hast. Der vollständige Umbau deines Bindegewebes dauert immer ein Jahr. Ich durfte das am eigenen Leib erfahren, als ich mir meine die Gelenkkapsel meines kleinen Fingers nach einem Sturz beim Snowboarden gerissen hatte. Obwohl es nur der kleine Finger war, den ich kaum benutze, konnte ich ihn über ein Dreiviertel Jahr lang spüren und nicht vollständig strecken. Der Schmerz ging dann irgendwann ganz weg, das Streckdefizit ist sogar über ein paar Jahre geblieben. Aber es hat mich nicht gestört. Ich habe auf meinen Körper vertraut und wusste, dass das wieder gut wird.

In der heutigen Zeit fehlt die Geduld, um dem Körper die Zeit zu geben, die er braucht. Wir überhören schlichtweg die Signale, die er uns durch den Schmerz sendet und übergehen damit unsere eigene Warnfunktion. Und was passiert, wenn wir die Warnungen unseres Körpers übergehen?

 

ER WIRD IMMER LAUTER!

 

Das heißt der Schmerz wird bleiben, er wird sogar immer stärker werden, je mehr und je länger wir ihn übergehen, ausblenden, betäuben, uns ablenken oder ihn ignorieren. Er wird deswegen nicht aufhören. Solange, bis wir hinhören. Bis wir zuhören was er zu sagen hat und herausfinden, worauf er uns hinweisen will.

 

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Schmerz hat immer eine Funktion!

Es gibt keinen sinnlosen Schmerz. Schmerz hat immer einen Sinn, eine Funktion. Die simpelste Funktion von Schmerz ist sicherlich die oben beschriebe Warnfunktion vor Verletzungen unseres Körpers. Aber nicht nur der Bewegungsapparat selbst spricht zu dir mittels Schmerz. Das tun auch deine Organe und deine Seele. Einfach alles was du bist, spricht zu dir über den Schmerz, denn das ist die einzige Sprache, die wir von Geburt an kennen und verstehen. Sie ist so tief in uns verankert und jeder, wirklich jeder Mensch auf dieser Welt kennt sie.

Aber wir entwickeln eine Menge Strategien um diese Sprache zu verlernen. Das fängt ganz früh an, wenn uns als Kind vermittelt wird, dass Schmerz nicht sein darf: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Du musst tapfer sein“. Da schon hören wir auf, aus dem Schmerz zu lernen und beginnen ihn zu verdrängen oder zu ignorieren. Wer keinen Schmerz kennt, der verliert die Verbindung zu seinem Inneren. Der verlernt die Sprache seines Körpers.

Das geht dann weiter über eine Vielzahl von Medikamenten, die nur dazu da sind, den Schmerz verschwinden lassen. Du spürst dann vielleicht keine Schmerzen mehr, aber es wird dadurch niemals die Ursache des Schmerzes behoben. Somit dürfte wohl klar sein, dass der Schmerz wieder kommt, sobald die Wirkung des Medikaments nachlässt. Denn schließlich hast du so noch nicht die Lektion gelernt, die dir dein Körper durch diesen Schmerz beibringen will. Und da unser Körper so schnell nicht aufgibt, schmerzt er fröhlich weiter vor sich hin, bis wir es endlich kapiert haben.

 

Wer seine Aufmerksamkeit wieder nach innen lenkt, der lernt hin zu spüren und hin zu hören

Manchmal habe ich das Gefühl, der menschliche Körper wird in unserer Zeit gar nicht mehr geschätzt und vor allem nicht gewünscht. Viele Menschen stecken da in einem fremdartigen Wesen, das sie zwar durch die Gegend trägt, das sie füttern und für alles mögliche nutzen, aber wo keinerlei Verbindung zu besteht. Viele wissen und verstehen gar nicht, was ihr Körper alles wunderbares macht und kann.

Durch die ständige Fokussierung auf das Außen, durch die ständige Ablenkung und Überforderung unserer Umwelt, richtet sich Aufmerksamkeit zum Großteil nach außen und nicht nach innen. Aber nur wer nach innen horcht und wieder ins spüren kommt, kann auch wieder verstehen lernen, was der Körper mittels Schmerz mitzuteilen hat.

 

Hast du Erfahrungen mit Schmerz? Was hast dir geholfen und was hast du daraus gelernt? Teile deine Erfahrungen mit uns in den Kommentaren.

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